Unter Lebenspraktischen Fähigkeiten verstehen wir alle Alltagshandlungen, die es einem Menschen ermöglichen, sein Leben selbstbestimmt und unabhängig zu gestalten.

Dass man trotz Blindheit oder hochgradiger Sehbehinderung Selbständigkeit erlangen kann, ist vielen Menschen nicht bewusst.
Sehbehinderung und Blindheit verändern das Erlernen von Alltagsfertigkeiten aber erheblich. Das Imitationslernen fällt bei sehbehinderten zum Teil, bei blinden Menschen ganz weg. Dadurch sinkt häufig die Motivation, etwas alleine machen zu wollen. Selbstverständliche Alltagshandlungen und Handgriffe werden plötzlich zum Problem, da oft weder das betroffene Kind noch seine Eltern wissen, wie man etwas ausführen soll, was man visuell nicht kontrollieren kann.

Deshalb wird ein spezieller Unterricht in LPF durch ausgebildete Lehrpersonen angeboten. Im Einzelunterricht sollen sehbehinderte und blinde Kinder lernen, wie sie ihren Alltag möglichst selbständig und unabhängig bewältigen können. Die Unterrichtsinhalte werden auf die spezifischen Bedürfnisse der Kinder abgestimmt. Dabei werden ihre Vorkenntnisse, ihre Erfahrungen und ihre motorischen Fähigkeiten berücksichtigt.
Bereits erworbene Erfahrungen, alle vorhandenen Sinneseindrücke, bei manchen das vorhandene Sehvermögen, werden genutzt, um Begriffe und Handlungsmöglichkeiten zu erlernen und zu erweitern. Darauf basierend werden für Alltagssituationen entsprechende Lösungsstrategien entwickelt.
Die Aufgaben werden dabei in kleinste Schritte zerlegt und durch geeignete Methoden systematisch erarbeitet und geübt. Bei Kindern mit einer zusätzlichen, meist geistigen Behinderung, kann das Ziel darin bestehen, Teilschritte eines ganzen Ablaufs selbständig ausführen zu können. Gelegentlich müssen spezielle Hilfsmittel eingesetzt werden wie eine sprechende Waage, ein taktiler Messbecher oder gut lesbare Uhren, um nur einige Beispiele zu nennen.
Von der Lehrperson wird ein didaktisches Vorgehen sowie ein hohes Mass an Flexibilität verlangt, um die Kinder anzuleiten und zur Selbständigkeit zu ermuntern. Die dafür nötigen Anregungen müssen zudem vielfältig und gezielt sein. Auch ein blindes Kind kann alleine essen, sich alleine an- und ausziehen und sich auf der Toilette selber besorgen. Wichtig dabei ist, dass die Eltern, SozialpädagogInnen und Lehrpersonen ihm den entsprechenden Rahmen und die notwendige Zeit zur Verfügung stellen. Dabei gilt, dem Kind so viel Hilfe wie unbedingt erforderlich, aber so wenig Hilfe wie möglich zu geben.

Beispiele für Lebenspraktische Fähigkeiten:

  • Erarbeiten von Ordnungsstrukturen:
    zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Kleiderschrank, in der Schultasche; Lösungsstrategien entwickeln.
  • Essensfertigkeiten:
    Orientierung am Tisch und auch im Teller, richtige Handhabung des Bestecks (Schiebetechnik, Schneidetechnik, Stechtechnik), Eingiessen von Flüssigkeiten, Brot streichen.
  • Richtiges An- und Ausziehen verschiedener Kleidungsstücke:
    Begriffsbildung im Zusammenhang mit der Kleidung
  • Kleiderpflege:
    Kleidung richtig zusammenlegen, auf einen Bügel hängen, Handwäsche waschen und Waschmaschine bedienen, Schuhe putzen.
  • Körperpflege:
    Zahnpflege (Umgang mit Zahnpasta und Zahnbürste), Hände waschen, Hygiene allgemein, Haarpflege.
  • Kommunikationsfertigkeiten:
    Erkennen der Geldmünzen und Geldscheine, Umgang mit Geld, Umgang mit dem Telefon, Kennen lernen von Handy, Diktiergerät, Computer, Bürotechniken (Locher, Büroklammer u.ä.), Umgangsformen beachten, Umgang mit Briefen und Paketen, Geldautomaten bedienen.
  • Handschrift:
    Kennen lernen der Schwarzschriftbuchstaben, Schreiben lernen mit verschiedenen Hilfsmitteln, Erlernen der Unterschrift.
  • Kochen:
    Orientierung in der Küche, mit dem Herd umgehen können, verschiedene Fertigkeiten wie Messen, Wägen, Schälen, Schneiden erlernen, Umgang mit verschiedenen Hilfsmitteln, Umgang mit Hitze, Verpackungen öffnen.
  • Haushalt:
    Reinigungsarbeiten materialgerecht und systematisch durchführen, Reinigungsgeräte und -mittel sachgerecht verwenden, einfache Reparaturen im Haushalt, Betten beziehen, Massnahmen der Unfallverhütung.
  • Werken:
    Umgang mit verschiedenen Werkzeugen und Hilfsmitteln wie Schere, Hammer, Schraubenzieher, Nadel und Faden, Klebstoff.